
In deutschen Schulen zeigt sich zunehmend, wie sehr die Integration von Flüchtlingskindern an Grenzen stößt – personell wie strukturell. Kinder aus Familien mit geringen Deutschkenntnissen werden oft zu früh in Regelklassen aufgenommen, bevor sie die Bildungssprache Deutsch ausreichend beherrschen, was ihr Lernen erheblich erschwert.
Die Zahl geflüchteter Kinder bleibt auch 2025 weiterhin hoch, wobei insbesondere ukrainische Schüler einen erheblichen Anteil ausmachen. Viele von ihnen verfügen zwar über solide Sprachkenntnisse, fühlen sich jedoch häufig sozial noch nicht richtig angekommen und in der Schule überfordert. Nur etwa 63 Prozent der befragten Schüler gaben an, sich an ihren neuen Schulen zugehörig zu fühlen – ein Wert, der deutlich unter dem in ihrer Heimat liegt.
Die Schulen setzten deshalb seit 2015 auf spezielle Vorbereitungsklassen, Brücken- und Ankunftsklassen sowie neue Programme für frühkindliche Sprachförderung. Doch diese wichtigen Programme wurden in den letzten Jahren, anders als 2015, nicht mehr gefördert. Ein Mangel an Räumen, Lehrkräften und finanziellen Mitteln sorgt dafür, dass Schulen in allen Bundesländern weiterhin kämpfen, um diesen Kindern ein adäquates Lernumfeld zu bieten.
Auch in Burgdorf an der Rudolf-Bembenneck-Gesamtschule (RBG) ist dies im Umgang mit den Flüchtlingskindern, die die Schule besuchen, in den vergangenen Jahren Thema. Die Herausforderungen für die Lehrer gehen dabei weit über den Unterrichtsstoff hinaus, beschreibt Schulleiterin Saskia van Waveren am Beispiel der vielen ukrainischen Kinder, die das RBG besuchen. „Die Lehrerinnen und Lehrer können teils nicht einschätzen, was die individuellen Gründe dafür sind, dass die Kinder sich weniger im Unterricht einbringen. Ist es das Sprachverständnis, ein Problem, das aus dem Unterrichtsstoff erwächst, oder vielleicht etwas Seelisches, das die Kinder sich zurückziehen lässt? Die wenigen Kolleginnen, die russisch sprechen, versuchen hier zu helfen, aber zeitlich ist dies nicht ausreichend, um tiefes Vertrauen aufzubauen oder gar allen zu helfen. Auch der Kontakt mit den Eltern ist sprachlich oft herausfordernd.“
Das erfuhr auch Martin Selke, Inhaber von ver-hoch-drei Beratung und Coaching, der beim Bildungswerk der Niedersächsischen Wirtschaft (BNW) in Burgdorf seit Dezember 2024 Menschen mit Migrationshintergrund als Honorarcoach unterstützt, um sie auf den deutschen Arbeitsmarkt vorzubereiten. „Wir sind in einem sehr engen Austausch mit unseren Teilnehmenden und erfahren so auch oft von familiären Herausforderungen. Natürlich lassen wir sie damit nicht allein.“ Er stellte den Kontakt mit der Schule her, auf der auch seine eigenen Kinder sind. „Der Austausch mit Frau van Waveren und dem Kollegium war toll. Das Engagement und die Fürsorge in Hinblick auf die Schülerinnen und Schüler der RBG, welches ich trotz der enormen Einspannung der Lehrerinnen und Lehrer spüren konnte, hat mich direkt begeistert. In kurzer Zeit hatten wir eine gemeinsame Problemstellung und eine Idee, was wir tun können.“ Insbesondere den ukrainischen Kindern und Jugendlichen der Klassenstufen 5 bis 10 wollte man ein Angebot schaffen, sprachliche Unsicherheit zu überwinden und darüber mehr Teilhabe am Unterricht zu bekommen. Eine Grundlage, um in der RBG anzukommen.
Zwischen Mai und Juli wurde kurzerhand die Möglichkeit für sechs Teilnehmerinnen der BPW MiA Maßnahme des BNWs in Burgdorf geschaffen, praktische Erfahrungen als Schulbegleiterinnen für Kinder mit Migrationshintergrund zu sammeln. „Dies ist ein wichtiger Teil der BNW-Maßnahme, weil es sowohl ermöglicht, neue Berufe kennenzulernen, als auch dabei viel Deutsch zu sprechen und so sprachlich besser zu werden“, erklärt Taghrid Salem, die als pädagogische Kraft im BNW arbeitet. Für die RBG ergab sich so eine Möglichkeit, den teilnehmenden Flüchtlingskindern Zeit und Unterstützung zu geben, um über Herausforderungen sprechen zu können und Lösungen zu identifizieren. Sprachlich waren die BNW-Praktikantinnen, die aus der Ukraine, Polen, dem Irak und Kolumbien stammen, zudem eine Bereicherung für den Austausch zwischen Schülern, Lehrkräften und Eltern, sowie im Fremdsprachenunterricht.
Lehrerin Mareike Lübben kümmerte sich während des Projektes um die BNW-Praktikantinnen, die zugleich helfen und den Beruf der Schulbegleiterin ausprobieren konnten. „Ich war sofort Feuer und Flamme. Seit die Unterstützung durch Sprachlernklassen und anderen Förderungen weggebrochen ist, fehlte allen Schülern ohne ausreichende Deutschkenntnisse der angemessene Zugang in das Schulleben. Im Kollegium hatten wir uns schon länger den Kopf zerbrochen, wie wir zum Beispiel die ukrainischen Kinder und Jugendlichen besser motiviert und in die Klassengemeinschaften oder den Fachunterricht integriert bekommen. Die Idee mit der Kooperation kam also wie gerufen.“

Das Ergebnis war durchweg positiv. „Unsere Teilnehmerinnen waren vor Beginn sehr aufgeregt und hatten Respekt vor dieser neuen Erfahrung. Für mich als Coach war es wunderbar zu beobachten, wie alle sich auf die Aufgabe eingelassen und wie schnell sie es geschafft haben, Vertrauen aufzubauen,“ berichtet Martin Selke. „Für eine Teilnehmerin, die früher im Irak als Grundschullehrerin gearbeitet hat, war es das erste Mal seit ihrer Flucht, dass sie wieder mit Kindern in einer Schule arbeiten konnte. Ich bin sehr stolz auf alle Teilnehmerinnen. Man konnte sehen, wie sie wachsen.“
Auch die Schule zieht ein positives Fazit. „Endlich können sich die Schülerinnen und Schüler mit der Unterstützung durch die Praktikantinnen am Unterricht beteiligen, ihre Ergebnisse vorstellen oder einreichen und erleben Erfolge.“ Weiter berichtet Mareike Lübben, dass es schön zu beobachten war, wie alle Parteien von dieser Kooperation profitiert haben. „Die Lehrkräfte wurden entlastet, die Schülerinnen und Schüler bekamen endlich die Unterstützung, die sieverdienen,n und die Praktikantinnen konnten sich ausprobieren und sind über sich hinausgewachsen. Ich habe die Praktikantinnen als sehr zuverlässig, offen und überaus freundlich in jeder Situation wahrgenommen. Positiv überrascht hat mich auch, wie schnell sie sich in unserer Schule zurechtgefunden haben. Sich so schnell und souverän in unser Schulsystem einzuarbeiten und damit so flexibel umgehen zu können – das macht ihnen so schnell niemand nach.“
„Wir würden uns wünschen, dass mehr Gemeinden in Ressourcen investieren, die eine Schulbegleitung, wie wir sie in unserem Projekt aufgestellt haben, dauerhaft ermöglichen“, so Saskia van Waveren und Martin Selke einhellig. Das Projekt an der RBG zeigt, wie wichtig sprachliche und soziale Unterstützung für die Integration geflüchteter Kinder ist. Eine enge Begleitung kann dabei helfen, Vertrauen aufzubauen und schulische Teilhabe zu ermöglichen – mit positiven Effekten für Kinder, Schule und Gesellschaft.